„Du hast jetzt ein Kunstherz“

Redaktion: Herr Depke, Sie sind mit Ihren 47 Jahren ein ziemlich junger Kunstherz-Patient. Wie kam es dazu, dass Sie ein Herzunterstützungssystem benötigten?

Stephan Depke: Eigentlich fühlte ich mich die ganze Zeit hervorragend und spürte keinerlei Anzeichen, dass etwas nicht stimmen könnte. Samstagsabends, es war der 22. März, hatte ich aber ganz plötzlich enorme Schmerzen und bin ins Klinikum Gifhorn gekommen. Da ich in Müden an der Aller lebe, war es das nächstgelegene Krankenhaus. Von dort wurde ich erst nach Braunschweig und dann in die Medizinische Hochschule Hannover verlegt, weil man mir dort besser helfen konnte.
Hier stellte man fest, dass ich ein deutlich vergrößertes Herz habe. Dadurch wurde der linke Herzmuskel geschwächt und die Pumpkraft meines Herzens ließ nach. So entstand ein Thrombus, der sich an diesem Tag gelöst und meine Nieren verstopft hatte.


Redaktion: Und wie ging es dann weiter in der MHH?

Depke: Ich kann mich an die nächste Zeit gar nicht mehr erinnern, meine Frau hat mir hinterher alles erzählt. Die Ärzte des MHH haben sich erst einmal um meine Nieren gekümmert, damit diese nicht ganz ausfallen. Am 29. März habe ich dann ein Kunstherz erhalten, zu diesem Zeitpunkt war ich dann wohl stabil genug für die Operation.


Redaktion: Das heißt, Sie wussten im Vorfeld gar nichts über die OP und konnten sich nicht mit dem Thema auseinandersetzen?

Depke: Nein, ich kann mich an die erste Woche in der Klinik gar nicht erinnern. Nach der OP weiß ich, wie meine Frau zu mir sagte: „Du hast jetzt ein Kunstherz.“ Das war natürlich ein riesiger Schock für mich. Kunstherz – da dachte ich als Ingenieur in der Fahrzeugentwicklung an ein technisches System aus Pumpen und Schläuchen, welches das eigene Herz komplett ersetzt. Meine Frau erklärte mir aber dann, dass mein Herz immer noch in meinem Körper ist und das Kunstherz nur als Unterstützungssystem dient. Aber das weiß man als Laie natürlich nicht sofort.


Redaktion: Was passierte dann nach der OP?

Depke: Mitte April habe ich noch einen Defibrillator in der MHH implantiert bekommen. Als es mir langsam wieder besser ging, stand dann die Rehabilitation an. Mein Glück war auch, dass meine Nieren ihre Arbeit wieder gut aufgenommen haben und ich nicht mehr dialysepflichtig bin. Die Ärzte haben mir eine Liste mit drei Kliniken gegeben, die sie mir empfehlen können: Ganz oben stand die Schüchtermann-Klinik, für die ich mich dann auch trotz der größeren Entfernung zu meinem Heimatort entschieden habe.
Der Vorteil ist einfach die enge Kooperation mit der MHH und die Anwesenheit von Herzchirurgen, die ebenfalls viel Erfahrung mit der Implantation von Kunstherzen haben. Ich bin nun seit dem 22. April in der Schüchtermann-Klinik und fühle mich einfach gut aufgehoben, weil hier wirklich Experten arbeiten.

Redaktion: Wo lagen denn die Schwerpunkte in der Rehabilitation?

Depke: Als ich hierhin kam, konnte ich schon wieder laufen und mich relativ gut bewegen, habe aber immer eine Schonhaltung eingenommen. Deswegen haben wir erst einmal daran gearbeitet, dass ich wieder richtig atme und aufrecht sitzen und gehen kann. Viele Patienten bekommen wohl auch Rückenschmerzen, weil wir beim Schlafen nur auf dem Rücken liegen können. Das ist bei mir Gott sei Dank nicht der Fall. Auch an das zusätzliche Gewicht durch die Tasche mit dem Controller und den Akkus habe ich mich schnell gewöhnt. Für einen Kunstherz-Patienten geht es mir jetzt wohl überdurchschnittlich gut, ich habe auch keine direkten Schmerzen mehr.

Redaktion: Inwiefern wird Ihr Alltag durch das Unterstützungssystem beeinflusst oder verändert?

Depke: Natürlich hat das Kunstherz mein Leben verändert. Ich trage jetzt immer eine Tasche mit mir herum, die sich nicht verheddern oder herunterfallen sollte, und muss kontrollieren, dass die Akkus aufgeladen sind. Das klappt aber recht gut, da ich abends vor dem Zubettgehen die Akkus in eine Ladestation setzen kann und mich dann über Nacht an eine „feste Station“, wie ich es nenne, mit einem langen Stromkabel anschließe. Wenn die Akkus aber ausfallen sollten – die Gefahr ist sehr gering, aber nicht komplett auszuschließen – habe ich 15 Minuten Zeit, um sie zu wechseln. Deshalb ist es gut, immer noch zwei Akkus in Reserve dabeizuhaben.
Außerdem habe ich jetzt eine offene Wunde im Bauchbereich, aus der ein Kabel, die Driveline, austritt. Praktisch ist, dass meine Frau als Ärztin schon im Verbandswechsel geschult war. Auch bei der Medikamenten-Einstellung kann sie mich  unterstützen. Ich habe aber auch eine Marcumar-Schulung erhalten, damit ich meinen INR-Wert selber messen und das Medikament entsprechend dosieren kann.

Redaktion: Können Sie denn ganz normal mit der Tasche duschen?

Depke: Dafür gibt es eine extra Dusch-Tasche, die wasserabweisend ist. Man kann dann in der Dusche einen Haken für die Tasche befestigen und somit relativ normal duschen. Schwimmen im Schwimmbad oder Meer – das ist aber nicht mehr möglich. Es gibt also schon Einschränkungen, aber die sind nichts gegen die Alternativen! Das muss man sich auch mal vor Augen führen.

Redaktion: Wie reagiert denn Ihr Umfeld auf das Kunstherz? Die Tasche ist ja immer sichtbar.

Depke: Für Laien sind die Kunstherzen ja noch ziemlich unbekannt, deswegen bekomme ich schonmal häufiger interessierte Nachfragen wegen meiner Tasche – zum Beispiel durch die anderen Reha-Patienten am Mittagstisch. Die wundern sich dann eventuell, dass ich die Tasche nicht ablege. Sonst fällt sie aber kaum auf: Sie ist relativ kompakt und kann zum Beispiel problemlos unter einem etwas weiteren Hemd versteckt werden.
Die Kunstherzsysteme sind ja mit der Zeit immer unauffälliger geworden und ich könnte mir vorstellen, dass diese Entwicklung noch nicht am Ende ist. Ich denke, dass die Unterstützungssysteme eine gute Perspektive haben, gerade weil immer weniger Spenderherzen zur Verfügung stehen.
Ich finde es eine ganz tolle Sache, dass wir hier technisch schon so weit sind. Vor ein paar Jahren oder gar Jahrzehnten hätte ich meine Krankheit wohl nicht überlebt. Jetzt kann ich ein ziemlich normales Alltagsleben führen und habe jede Menge Lebensqualität zurückerhalten werden, wenn man das möchte.

6.Thoratec

An diesem Bild erklärt Herr Depke gerne, dass sein eigenes Herz auch weiterhin in seinem Körper ist. (Bild: Thoratec Corporation)

Das Interview führte Katharina Lutermann.