In der Schüchtermann-Klinik wurden und werden Menschen unterschiedlichen Geschlechts, verschiedener Hautfarben und Religionen, fast allen Alters und unterschiedlicher Weltanschauung behandelt. Von Zeit zu Zeit war auch schon der ein oder andere Prominente unter der Patienten – so 1975 der berühmte Künstler und Kunsttheoretiker Joseph Beuys.
Der Prominente mit Hut
Sein Markenzeichen – der Filzhut – begleitete ihn dabei auch in der Klinik, wie die Mitpatientin Ilse Schmäing aus Düsseldorf 1979 in einem Leserbrief zu berichten wusste:
„Herr Professor Joseph Beuys war 1975 in der Schüchtermann-Klinik in Bad Rothenfelde vier Wochen mein Tischnachbar. Ich habe ihn in sehr netter Erinnerung. Er ist ein freudlicher und witziger Unterhalter. Herr Professor Beuys kam natürlich immer mit Hut in den Speisesaal. Nie jedoch war er so unhöflich, seinen Hut am Tisch aufzubehalten.“
Und auch unsere Sporttherapeutin Annette Kersjes, noch heute in der Schüchtermann-Klinik tätig, erinnert sich an den Aktionskünstler:
„Ich habe Prof. Joseph Beuys sechs Wochen in meiner Sportgruppe betreut. Herr Beuys kam mit Cowboyhut und Cowboystiefeln zur Gymnastik! Nach einer Woche hat er sich dann einen Trainingsanzug gekauft mit dem Hintergrund, das er nicht erkannt werden wollte.“
Joseph Beuys (Foto von 1979, dpa – Bildfunk)
Klinik in Beuys` Werk verewigt
Besonders interessant ist außerdem, dass sein Aufenthalt in der Schüchtermann-Klinik ihn tatsächlich zu einem Werk inspiriert hat: der Honigpumpe am Arbeitsplatz. Diese Installation wurde erstmals auf der Documenta 6 im Jahr 1977 in Kassel der Öffentlichkeit präsentiert. Es handelte sich dabei um eine über mehrere Räume verteilte technische Anordnung, die 150 kg Honig durch ein umlaufendes Schlauchsystem pumpte. Neben der Honigpumpe rotierte eine Kupferwelle in 100 kg Margarine.
Die Honigpumpe am Arbeitsplatz gilt als eine Metapher für den menschlichen und gesellschaftlichen Organismus und insgesamt ein Symbol für das Herz-Kreislaufsystem des Menschen. Dabei steht die elektrisch betriebene Pumpe das Herz. Das Blut ist der Honig, der als zirkulierende Energie in einem Adersystem aus Plexiglasschläuchen über mehrere Etagen gepumpt wird. Der Tagungsraum, in dem die Installation auf der documenta stand, bildete das Kommunikationssystem, das Sprache, Diskussion und Dialog ermöglichte.
Die „Honigpumpe am Arbeitsplatz“ auf der Documenta 6 in Kassel
In der neuen Kategorie „Historie“ berichten wir jetzt regelmäßig über die spannende Geschichte der Schüchtermann-Klinik. Sie haben Fragen, die wir an dieser Stelle beantworten sollen? Dann freuen wir uns über Ihren Kommentar.
Katharina Lutermann